Viele kennen es von den Großeltern „Lass Papa mal in Ruhe, das mag er nicht hören“. „Lass den Opa mal erst ausruhen, er kommt gerade von der Arbeit.“ Viele sind mit den sogenannten „Frauenthemen“ und „Männerthemen“ aufgewachsen. Auch heute noch gibt es, besonders im ländlichen Raum, diese Aufteilung der Alltagsthemen. Manches können Frauen einfach besser? Manche Themen sind eher für Männer? Schwierig wird es, wenn heterosexuelle Partner über alles miteinander sprechen wollen. Denn dann können viele Themen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Aber sind Motorstärken, Werkzeuge und Aktien wirklich „Männerthemen“ oder Geburtstagskuchen, Mode und Ehrenämter tatsächlich Frauenthemen?

Wenn ein Partner davon überzeugt ist, wird er wahrscheinlich alles ignorieren, was nicht zu seinem Themenbereich gehört. Dann wird es für das Gegenüber sehr schwer, zu einer Kommunikation zu finden. Ignoranz könnte ein Mittel sein, sich die unbeliebten Themen vom Hals zu halten. Ignoranz kann ein Ausdruck häuslicher Gewalt sein.

Ignoranz kann in bestimmten Kontexten als eine Form von aggressivem Verhalten betrachtet werden, insbesondere wenn sie absichtlich angewendet wird, um eine andere Person emotional oder psychologisch zu verletzen. In solchen Fällen geht es nicht nur um das Fehlen von Wissen, sondern auch um ein bewusstes Ignorieren oder Ablehnen von Informationen, Gefühlen oder Bedürfnissen anderer. Hier sind einige Aspekte, wie Ignoranz als aggressives Verhalten interpretiert werden kann:

1. Absichtliche Vernachlässigung

Wenn jemand absichtlich die Bedürfnisse oder Gefühle einer anderen Person ignoriert, zeigt dies eine bewusste Entscheidung, diese Person nicht ernst zu nehmen oder zu respektieren. Diese Art des Verhaltens kann den Empfänger emotional verletzen und das Gefühl vermitteln, nicht wertgeschätzt oder geachtet zu werden.

2. Schutz der eigenen Position

In Konfliktsituationen kann Ignoranz aggressiv eingesetzt werden, um die eigene Position zu schützen oder zu verteidigen. Indem jemand relevante Informationen oder Argumente ignoriert, versucht er möglicherweise, die Diskussion zu seinen Gunsten zu beeinflussen und die Verantwortung für das Problem abzuwehren.

3. Manipulation und Kontrolle

Ignoranz kann auch als Werkzeug zur Manipulation oder Kontrolle verwendet werden. Indem eine Person die Realität oder die Bedürfnisse eines anderen ignoriert, kann sie Macht über diese Person ausüben und ihr das Gefühl geben, dass ihre Erfahrungen oder Sorgen irrelevant sind.

4. Emotionale Erpressung

Die bewusste Ignoranz von Gefühlen oder Bedürfnissen kann auch als subtile Form der emotionalen Erpressung angesehen werden. Eine Person ignoriert bewusst den emotionalen Zustand einer anderen, um Schuldgefühle oder Unsicherheiten zu erzeugen.

5. Verstärkung von Konflikten

Ignoranz kann die Spannungen und Konflikte in zwischenmenschlichen Beziehungen verschärfen. Wenn Bedürfnisse oder Probleme ignoriert werden, bleiben diese ungelöst, was zu einer weiteren Eskalation der Auseinandersetzung führen kann. Die betroffene Person fühlt sich möglicherweise nicht gehört oder unterstützt, was Aggression und Frustration hervorrufen kann.

Ignoranz, wenn sie absichtlich und systematisch eingesetzt wird, kann als eine Form des aggressiven Verhaltens betrachtet werden. Sie hat das Potenzial, emotionale Schäden zu verursachen, zwischenmenschliche Beziehungen zu destabilisieren und eine Kultur der Geringschätzung und Respektlosigkeit zu fördern. Es ist wichtig, solche Verhaltensweisen zu erkennen und zu thematisieren, um gesunde und respektvolle Kommunikations- und Beziehungsmuster zu fördern.

Eine mögliche Folge von Ignoranz ist Sprachlosigkeit

Einmal etwas zu vergessen oder zu überhören ist keine Ignoranz. Gibt es aber grundsätzlich Themen, die nicht erwünscht sind, kann Ignoranz als ein regelmäßiges Verhalten gesehen werden. Damit befindet sich das Gegenüber in der Situation, nicht gesehen, nicht gehört zu werden. Der soziale Kontakt in Form von beantwortet und gespiegelt werden fällt weg. Es kann eine Form der Unsicherheit und Orientierungslosigkeit entstehen. Das betreffende Thema wird wahrscheinlich tabuisiert, es kann Angst vor Verlust der Zuneigung entstehen, wenn man „immer wieder damit anfängt“. Eine besonders schlimme, mögliche Folge ist, dass die ignorierte Person am Ausdruck ihrer Gefühle und Bedürfnisse gehindert wird. Sie verstummt von innen heraus.

 

Im Mittelalter gab es ein sichtbares Redeverbot

Schon immer waren manche Frauen der Gesellschaft zu laut, redeten zu viel. Im Mittelalter gab es das Schimpfzaum, um diesen Frauen „eine Lehre zu erteilen“. Der psychische Druck, der dadurch ausgeübt wird, dass ein Mensch kein Gehör findet, hat ähnliche Wirkungen, obwohl er nicht physisch ist.

Das Schimpfzaum, auch bekannt als „Schimpfhalsband“ oder „Schimpfgerät“, war im Mittelalter ein Werkzeug, das Frauen als eine Form der Bestrafung oder Kontrolle verwenden konnte. Es handelte sich dabei um ein mechanisches Gerät, das, ähnlich wie ein Zwangsgerät, um den Kopf oder das Gesicht getragen wurde, um die Person zum Schweigen zu bringen oder sie für unsittliches Verhalten zu disziplinieren.

Merkmale des Schimpfzaums:

  1. Konstruktion: Der Schimpfzaum bestand oft aus Metall und war so gestaltet, dass er die Mundöffnung der Frau einschränkte oder ganz verschloss. Dies machte es der betreffenden Person unmöglich, zu sprechen oder zu schreien.
  1. Verwendung: Der Schimpfzaum wurde häufig in öffentlichen Bestrafungen eingesetzt. Frauen, die gegen gesellschaftliche Normen oder Erwartungen verstoßen hatten, konnten damit zur Schau gestellt werden, um andere abzuschrecken und das Fehlverhalten zu bestrafen.
  1. Symbolik: Der Einsatz eines Schimpfzaums war nicht nur physisch einschränkend, sondern auch ein starkes Symbol für die gesellschaftliche Kontrolle über Frauen im Mittelalter. Es spiegelte die patriarchalen Strukturen wider, die Frauen oft in ihrer Meinungsäußerung und Freiheit einschränkten.
  1. Gesellschaftliche Auswirkungen: Solche Maßnahmen waren nicht ausschließlich auf die Körperlichkeit beschränkt; sie hatten auch tiefgreifende soziale und psychologische Auswirkungen auf betroffene Frauen. Der Schimpfzaum war Teil einer größeren Kultur der Bestrafung und der Versuch, Frauen in bestimmten Rollen zu halten.

 

Ignoranz von Frauen ist ein gesellschaftliches Thema

Ignoranz hat etwas mit Unsichtbarkeit zu tun. Nur etwa jede Professur ist von einer Frau besetzt, auf Wikipedia handelt nur ein Viertel der Einträge von Frauen. Frauen sollen sogar häufiger von der Löschung ihrer Artikel betroffen sein als Männer.

Ein Beispiel: „Die Kanadierin Donna Strickland erhielt 2018 den Physik-Nobelpreis (als erste Frau in 55 Jahren). Zu dem Zeitpunkt existierte kein Wikipedia-Artikel über sie. Der Grund: Wenige Monate zuvor war ein Eintrag über sie gelöscht worden. Mit der Begründung: Sie sei nicht relevant genug.“ (1)

„Was ist der Matilda-Effekt? Namensgeberin des Phänomens ist die US-amerikanische Frauenrechtlerin, Aktivistin und Soziologin Matilda Joslyn Gage. Im Jahr 1870 schrieb sie ein Pamphlet mit dem Titel Woman as Inventor – Frauen als Erfinderinnen – und verurteilte die damals weit verbreitete Idee, Frauen besäßen keinen erfinderischen Drang und kein wissenschaftliches Talent.“ (2)

„Das Bild vom Mann als Prototyp des Menschen ist grundlegend für die Struktur unserer Gesellschaft. Es ist eine alte, tief verwurzelte Tradition, die so weit reicht wie die Theorie der menschlichen Evolution selbst. Schon Aristoteles behandelte im 4. Jahrhundert vor Christus in Von der Entstehung der Tiere den männlichen Prototyp als unbestreitbares Faktum, indem er weiblichen Nachwuchs als eine Abweichung bezeichnete.“ (3)

Ignoranz erleben Frauen auch, wenn beispielsweise der Gender-Pay-Gap zwar ein Gesprächsthema ist, jedoch nicht aufgehoben wird. Ähnliches gilt für den Gender-Care-Gap.

(1) https://www.elle.de/female-empowerment-sexismus-frauen-wikipedia
(2)https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/02/diskriminierung-der-matilda-effekt-wie-frauen-in-der-wissenschaft-unsichtbar-werden
(3)Caroline Criado-Perez (2021): Unsichtbare Frauen, Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert. Bonn

 

 

Von stg

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